Josef Adolf Schmoll, Genannt Eisenwerth – Ein Nachruf / Von Winfried Nerdinger – 03.08.2011

Im Jahr 2005 erschien das umfassende große Werk über die lothringische Skulptur im 14. Jahrhundert, mit dem J. A. Schmoll gen. Eisenwerth – er stand zu diesem Zeitpunkt im 91. Lebensjahr – eine mehr als 50-jährige Forschung abschloss. Als Gründungsdirektor des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität des Saarlandes, an dem er von 1950 bis 1966 lehrte, hatte er von Saarbrücken aus systematisch die mittelalterlichen Bildwerke Lothringens besucht, analysiert und stilkritisch bestimmt.

Die Skulptur des Mittelalters war jedoch nur eines von vielen Forschungsgebieten, die der große Kunsthistoriker – nach einem seiner Lieblingsworte – »beackert« hat. So untersuchte er in seiner 1939 bei Wilhelm Pinder in Berlin vorgelegten Dissertation über das Kloster Chorin die Architektur der Zisterzienser, deren europäische Ausbreitung ihn mit Publikationen und Grabungen mehrere Jahrzehnte lang beschäftigte.
Bereits Ende der vierziger Jahre erforschte Schmoll unter schwierigsten Bedingungen als erster in Deutschland die Bildsprache und die Werkprozesse bei Auguste Rodin, über dessen Werk er sich 1950 habilitierte. Die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen intensiven Forschungen fasste er in den 1983 vorgelegten »Rodin-Studien« zusammen – Musterbeispiele, wie aus umfassender Quellen- und Werkkenntnis, genauer Beobachtung und scharfsinniger Analyse völlig neue Einsichten gewonnen werden können.

Im Jahr 1966 wechselte Schmoll auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Technischen Hochschule in München – und von nun an erweiterte er seine Forschungen auch auf die Kunst des 20. Jahrhunderts. Seine Vorlesungen über Picasso, Klee oder das Bauhaus, mit denen erstmals in München die Moderne an einer Hochschule detailliert behandelt wurde, waren Anziehungspunkte für Studenten aller Fachrichtungen. Schmolls völlig undogmatische und offene Sicht auf alle Phänomene der Kunst schloss Arbeiterdenkmäler, Kunstgewerbe, historistische Architektur und verpönte Maler wie Franz von Stuck oder Franz Lenbach genauso ein wie die Fotografie, deren Bearbeitung die Deutsche Forschungsgemeinschaft damals noch nicht unterstützen mochte, da sie doch außerhalb der kunstgeschichtlichen Forschung liege.

1970 begann Schmoll mit der viel beachteten Ausstellung »Malerei nach Fotografie« eine Serie von Studien zur Geschichte der Fotografie, die ihm einen Pionierrang auf diesem Gebiet sicherte. Diese Offenheit für neue Entwicklungen ist auch Spiegel der Freundschaft mit Künstlern wie Rudolf Belling, O. H. Hajek, Karl Kunz, Wilhelm Loth und Otto Steinert, mit denen er in einem engen, gegenseitig inspirierenden Austausch stand.*

Der große, umfassend gebildete Gelehrte, dem die Kunstwissenschaft so viele Anregungen und wegweisende Einsichten verdankt und der mehreren Schülergenerationen mit seinem Arbeitsethos und seinen unbestechlich klaren Analysen ein Vorbild war, ist am 20. Dezember 1910 nach kurzer schwerer Krankheit in seinem 96. Lebensjahr gestorben.

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*Besonders mit dem nur fünf Jahre jüngeren Bildhauer Wilhelm Loth verband ihn ein intensiver Gedankenaustausch, der darauf beruhte, dass Loths heftige Widerstandshaltung gegen das Menschenbild in der Skulptur der Nazijahre letzlich auf den Grundlagen Rodin‘schen Empfindens fußte, mit dem Schmoll während der ersten Jahre ihres Kennenlernens – sie trafen sich erstmals Ende 1947 – sich so intensiv befasste. Zusammen mit Wilhelm Loth, dem heutigen Namensgeber des Darmstädter Kunstpreises, bereiste Schmoll in den 50er Jahren mehrfach Paris, darunter die Bildhauerateliers von Germaine Richier und Ossip Zadkine, mit denen sie bis zu deren Tod in Verbindung blieben.

Es ist zu vermuten, dass Wilhelm Loth darauf drängte, Schmoll, der seit 1946 eine Professur an der Technischen Hochschule Darmstadt innehatte, in die Sezession aufzunehmen, nachdem sie beide auch das legendäre erste Darmstädter Gespräch mit dem Titel »Das Menschenbild in unserer Zeit« initiert hatten. Schmoll hingegen dürfte es gewesen sein, der durch seine Berufung an die nach dem Krieg neu gegründete Universität des Saarlandes in Saarbrücken jene Kontakte angebahnt hat, die schließlich dazu führten, dass Karl Kunz und Otto Steinert, die beide an der Staatlichen Saarländischen Schule für Kunst und Handwerk lehrten, Anfang der 50er Jahre der Sezession beitraten.

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