Kröger, Pierre †

„Der Löwe hat sich schlafen gelegt“
Zum Tode des Malers Pierre Kröger

Von Dr. Roland Held

Vor drei Jahren, an einem Nachmittag im Advent besuchte ich ihn zum letzten Mal. Im Vorfeld mit einer gewissen Bangigkeit. Wusste ich doch nicht, in welcher Verfassung er, der geraume Zeit davor einen Schlaganfall erlitten hatte, sein würde und zu wieviel Kommunikation fähig. Was ich dann in seiner Wohnung im Alexandraweg erlebte, verblüffte und beglückte mich. Nach anfänglicher Auftauphase – er hatte, seit je ein Nachtmensch, lang in den Tag hinein geschlafen – kam er in Fahrt, sobald unser Gespräch auf die alten Zeiten, die alten Orte, die alten Namen kam. Die Ära, als Darmstadt die Kunst noch im Poststempel trug. Da war er auf einmal auch wieder der alte Pierre Kröger, vital, begeistert, ja berauscht von der bunt aufgefädelten Assoziationskette der eigenen Anekdoten. Mit seinem Tod am vergangenen Sonntag ist einer der letzten Brückenpfeiler hinüber in jene kulturelle Ära weggebrochen.

Kröger war Darmstädter Urgestein, hier 1938 geboren. Er studierte an der Werkkunstschule bei Helmut Lortz und verdiente sich seine ersten Sporen als Werbegraphiker. Im Herzen freilich war er Maler seit je. Es fügte sich gut zu seinem expressiven Temperament, dass er sich mit dem Erz-Expressionisten Ludwig Meidner in dessen in Darmstadt verbrachten letzten Lebensjahren noch anfreunden konnte. Andere kunsthistorische Bezugspunkte waren ihm van Gogh, Picasso, Chaim Soutine und Emilio Vedova – vorzugsweise Malerkollegen, denen wie Kröger selbst die sichtbare Welt nur Anlass war für ihre Transformation in Farbe, Geste, Vision. Als Künstler, seit 1968 Mitglied der Darmstädter Szession, war er arriviert genug, um einer Leidenschaft frönen zu können: Reisen in die entlegensten Winkel der Welt. Von dort brachte er die Anregungen für seine Bilder mit. Exotische Märkte, Tempel, Strände, bevölkert von den abenteuerlichsten Figuren und ausgeführt oft in einer von ihm selbst entwickelten Technik als Aquarell auf teils riesigen Leinwänden.

Dass er, trotz erfolgreicher Ausstellungen, an seinem Geburtsort blieb, war ihm Sicherheit – belohnt mit dem 1981 erhaltenen Kunstpreis der Stadt Darmstadt und 1987 einer großen Retrospektive auf der Mathildenhöhe. Nur spekulieren lässt sich darüber, ob es nicht auch Karriere-Hemmnis war. Für seine Mitbürger war er im Stadtbild eine präsente, schon durch seine Größe prominente Erscheinung. Ob sommers im Hochschulstadion, wo er sich den Bauch in der Sonne braun brutzeln ließ; ob im verrauchten Künstlerkeller bei lautstark ausgetragenen Diskussionen; ob im offenen Cabriolet, mit dem er durch die Straßen flitzte, seine mit den Jahren immer längere und silbergrauere Mähne flatternd im Wind.

Schon längere Zeit war Pierre Kröger zum Malen nicht mehr imstande. Aber auch so kommt ein riesiger Nachlass an Bildern auf seine Witwe Bascha zu, mit der er in dritter Ehe seit 21 Jahren verbunden war. Eine Lebensphase, in der das einstige Enfant terrible zum Familienmenschen wurde. Und mit seinem Rückblick auf kulturell aufgeladene Begegnungen und Ereignisse für seine beiden Stieftöchter „ein Tor zur Welt“. Sie berichten, wie Kröger, früher durchaus berühmt für beißenden Spott und Aufbrausen, als Pflegefall immer sanfter, großherziger, dankbarer wurde. Über seinen Tod: „Der Löwe hat sich schlafen gelegt.“ Das aber, wie sie sagen, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Mitglied der Darmstädter Sezession seit 1968
Malerei, Zeichnung

* 23.09.1938 in Darmstadt / verstorben 2022 in Darmstadt
Lebte und arbeitet in Darmstadt sowie u. a. in Bracui (Rio de Janeiro) und Boituva (Sao Paolo)

1957-61
Studium an der Werkkunstschule Darmstadt bei Hoffmannlederer, Lortz und Fischer

1961
Staatsexamen als Graphik-Designer

seit 1968 freischaffender Maler

Preise und Auszeichnungen

1984
Internationaler Senefelder-Preis für Lithographie, Offenbach

1981
Kunstpreis der Stadt Darmstadt

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